Einer der mildesten Winter seit Messbeginn sowie der bisherige ausserordentlich milde Frühling zeigen ihre Auswirkungen auf die Natur: Diese ist wie häufig in den letzten Jahren sehr früh erwacht und weist aktuell einen Vorsprung von zwei bis vier Wochen auf. Die Winter werden im Zuge des Klimawandels immer milder, in der Folge erwacht die Natur immer früher, die Vegetationszeit wird verlängert. Dies hat mannigfaltige Auswirkungen, positive, vor allem aber auch negative. Insbesondere steigt das Risiko, dass Spätfröste Schäden anrichten können. Die letzten Tage waren diesbezüglich teilweise heikel. Nach einer ersten vorsichtigen Bilanz sind an Obst- und Weinbaukulturen vor allem in der Region Genf sowie im Wallis Schäden in Millionenhöhe entstanden.
Vorläufige Schadensbilanz
In der Schweiz sind gebietsweise Schäden an Obstkulturen und Reben vermeldet worden, dies insbesondere im Raum Genf, im Wallis und im Schaffhausischen. Nach einer ersten Schätzung von Schweizer Hagel dürften dabei Schäden in Millionenhöhe entstanden sein. Zudem dürften auch bodennahe Kulturen wie blühende Erdbeeren teilweise Schaden genommen haben. Nicht nur der Frost, sondern auch der Schnee hat zu Schäden bei Äcker- und Graslandkulturen geführt, wobei vor allem Raps-, Grasland- und Getreidekulturen von Schneedruckschäden (besonders abgeknickte Grashalme) betroffen waren. Das genaue Schadensausmass wird sich aber erst in den kommenden Tagen und Wochen zeigen. So stark betroffen wie beispielsweise Deutschland wurden wir aber nicht, gemäss der Versicherung Vereinigter Hagel Deutschland wird bundesweit mit Schäden an Reben sowie Obstplantagen von mehr als einer halben Milliarde Euro gerechnet!
Nacht auf Freitag: Vor allem im Osten lokal leichter Frost
In der vergangenen Nacht war es vor allem im Osten lange klar, sodass die Temperaturen örtlich in den leichten Minusbereich sanken. Dazu gab es verbreitet Bodenfrost mit lokal bis unter -4 Grad, wovon auch einige Weinbaugebiete betroffen waren (Wallis, Schaffhausen, Weinland, Rheintal, vgl. nachfolgende beiden Tabellen).
Tiefste Temperatur (<700m, Stand 06:10)
Flachlandstationen | Tiefste Temperatur (in °C) |
---|---|
Ebnat-Kappel (620 m ü.M., SG) | -1.9 |
Schiers (660 m ü.M., GR) | -1.7 |
Bischofszell (506 m ü.M., TG) | -1.5 |
Pfäffikon ZH (540 m ü.M., ZH) | -1.4 |
Giswil (475 m ü.M., OW) | -1.0 |
Zürich Flughafen (436 m ü.M., ZH) | -0.9 |
Tänikon (536 m ü.M., TG) | -0.8 |
Mosen (453 m ü.M., LU) | -0.7 |
Würenlingen (334 m ü.M., AG) | -0.5 |
Hallau (419 m ü.M., SH) | -0.4 |
Visp (640 m ü.M., VS) | -0.4 |
Zürich Reckenholz (443 m ü.M., ZH) | -0.2 |
Meiringen (589 m ü.M., BE) | -0.1 |
Güttingen (440 m ü.M., TG) | 0.1 |
Schaffhausen (438 m ü.M., SH) | 0.3 |
Altdorf (449 m ü.M., UR) | 0.4 |
Oberriet (420 m ü.M., SG) | 0.5 |
Egolzwil (522 m ü.M., LU) | 0.6 |
Glarus (515 m ü.M., GL) | 0.7 |
Gösgen (380 m ü.M., SO) | 0.8 |
Tiefste Temperatur 5cm ab Boden (<700m, Stand 06:10)
Im Laufe der Nacht zogen dann von Westen immer dichtere Wolken auf, wodurch die Temperaturen wieder etwas anstiegen und der Bodenfrost gemindert wurde. Dazu gab es in den Alpentälern teilweise auch etwas Föhn, der aufkam und so half, dass die Temperaturen nicht weiter sanken.
Nun ist es aber überstanden, in den kommenden Tagen ist es milder, Frost ist so kein Thema mehr.
Fazit der kühlen Phase
Seit gestern vor einer Woche gab es im Flachland und in den tiefen Alpentälern ganz vereinzelt Luftfrost (vgl. Abb. 1, in Bern beispielsweise 4 und in Genf 3 Frosttage) sowie immer wieder Bodenfrost bis vereinzelt unter -5 Grad.
Abb. 1: Anzahl Frosttage (Minima unter 0 Grad) im April (ohne vergangene Nacht); Quelle: MeteoNews, UBIMET
Mittwochmorgen: Leichter Frost v.a. am Nordrand und im Westen
In der vergangenen Nacht hat es vor allem am Nordrand, am Jurasüdfuss und in der Westschweiz teilweise etwas aufgeklart, sodass die Temperaturen teilweise in den leichten Frostbereich gesunken sind. Mit Ausnahme der meisten Alpentäler, wo die Wolkendecke meist geschlossen blieb, konnte auch recht verbreitet Bodenfrost bis lokal unter -4 Grad verzeichnet werden, in Basel-Binningen gab es sogar -5.3 und in Fahy im Jura -6.8 Grad (vgl. die nachfolgenden beiden Tabellen).
Tiefste Temperatur (<600m, Stand 06:00)
Flachlandstationen | Tiefste Temperatur (in °C) |
---|---|
Grenchen (430 m ü.M., SO) | -1.5 |
Payerne (490 m ü.M., VD) | -1.3 |
Möhlin (308 m ü.M., AG) | -1.0 |
Cressier (432 m ü.M., NE) | -0.9 |
Mathod (435 m ü.M., VD) | -0.9 |
Hallau (419 m ü.M., SH) | -0.9 |
Delsberg (439 m ü.M., JU) | -0.8 |
Bern (565 m ü.M., BE) | -0.8 |
Stabio (353 m ü.M., TI) | -0.8 |
Wynau (422 m ü.M., BE) | -0.5 |
Genf (420 m ü.M., GE) | -0.5 |
Koppigen (484 m ü.M., BE) | -0.4 |
Mosen (453 m ü.M., LU) | -0.4 |
Würenlingen (334 m ü.M., AG) | -0.3 |
Egolzwil (522 m ü.M., LU) | -0.2 |
Bern-Belpmoos (510 m ü.M., BE) | 0.0 |
Mühleberg (483 m ü.M., BE) | 0.1 |
Zürich Reckenholz (443 m ü.M., ZH) | 0.2 |
Leibstadt (341 m ü.M., AG) | 0.3 |
Basel-Binningen (316 m ü.M., BL) | 0.4 |
Tiefste Temperatur 5cm ab Boden (<600m, Stand 06:00)
Spätfrostschäden an Reben
Nachdem bereits in den letzten Tagen vor allem in der Westschweiz und im Wallis immer wieder von Frostschäden an Reben berichtet wurde, war die vergangene Nacht insbesondere in den Rebbaugebieten des Kantons Schaffhausen heikel, so gab es in Hallau auf 2 Metern über Boden -0.9 Grad und auf 5 Zentimetern über Boden -4.8 Grad. Bei Temperaturen von rund -1 Grad und darunter auf Höhe der Triebe (ca. 50 Zentimeter bis 1 Meter über Boden) muss dabei mit Frostschäden gerechnet werden. Diese Temperaturschwelle wurde bei der Messstation Hallau klar unterschritten. Bei solchen Temperaturen ist ohne entsprechende Schutzmassnahmen (z.B. Frostkerzen) damit zu rechnen, dass grüne Triebteile teilweise erfrieren, zunächst schlaff und danach braunschwarz werden und schliesslich vertrocknen (vgl. Abb. 1).
Abb. 1: Spätfrostschäden an Reben; Quelle: wikipedia
Gut durch die Nacht kamen dagegen die grösseren Rebgebiete im Rheintal und am Zürichsee, hier blieb die Wolkendecke meist geschlossen, sodass es keinen Frost und zumeist auch keinen Bodenfrost gab.
Nicht nur aus Teilen der Schweiz, sondern auch aus Frankreich, Deutschland, Österreich und dem Südtirol häufen sich aufgrund der ausserordentlich warmen Witterung im März und April und der damit viel weiter als üblich fortgeschrittenen Entwicklung Meldungen über Frostschäden an Reben.
Noch zwei heikle Nächte
Auch in den Nächten auf morgen Donnerstag und übermorgen Freitag wird es nochmals kalt, es ist lokal mit Frost und vor allem in der Deutschschweiz teilweise klaren Nacht auf Freitag verbreitet mit recht starkem Bodenfrost zu rechnen. Noch ist es damit für die Bauern nicht ausgestanden...
Montagmorgen: Erneut teilweise leichter Frost, verbreitet Bodenfrost
In der Nacht auf heute Montag sind die Temperaturen in tiefen Lagen vor allem in den Westen in den leichten Frostbereich gesunken, stellenweise konnte unter -1 Grad verzeichnet werden. Dazu gab es verbreitet Bodenfrost bis lokal unter -4 Grad, in Neuenburg sogar unter -5 Grad (vgl. die nachfolgenden beiden Tabellen sowie Abb. 1).
Tiefste Temperatur (<700m, Stand 06:40)
Tiefste Temperatur 5cm ab Boden (<700m, Stand 06:40)
Abb. 1: In Neuenburg gab es in der vergangenen Nacht am Boden unter -5 Grad; Quelle: roundshot
Bis Freitag weitere heikle Nächte
Minimaltemperaturen um 0 Grad oder leicht darunter sowie Bodenfrost ist auch in den kommenden Nächten bis Freitag zu erwarten, wobei der Westen etwas frostgefährdeter ist als der Osten, da es hier eher mal aufklart. Die Frostsituation für bodennahe Kulturen sowie für Obstplantagen und Weinberge bleibt somit weiter etwas angespannt.
Bis Donnerstag jeweils am Morgen Temperaturen um den Gefrierpunkt
Die kommenden Tage sind bezüglich Frost am Morgen recht heikel. Allerdings gibt es jeweils in den Nächten viele Wolken und zu Wochenbeginn teils auch etwas Bise, sodass es im Flachland und in den tiefen Alpentälern auf 2 Metern über Boden in den Wetterhütten jeweils Temperaturen um oder leicht über dem Gefrierpunkt geben dürfte, höchstens ganz lokal sind auch leichte Minusgrade möglich. Direkt am Boden ist dagegen bei auch nur kurzen Aufklarungen teilweise mit etwas Frost zu rechnen, bodennahe Kulturen sollte man so weiterhin schützen. Positiv für Obstbaumkulturen und Weinberge ist, dass sich keine Nacht mit auf 2 Metern über Boden klar negativen Temperaturen abzeichnet, sodass sich allfällige Frostschäden in Grenzen halten dürften. Bei der eingeflossenen sehr kühlen Luftmasse ist dies alles andere als selbstverständlich, eine teilweise klare Nacht hätte gereicht, dass die Temperaturen deutlich ins Minus gesunken wären!
Freitagmorgen: Recht verbreitet Bodenfrost, teils etwas Hüttenfrost
In der Nacht auf heute Freitag hat es teilweise etwas aufgeklart, sodass die Temperaturen vor allem direkt am Boden auf 5 Zentimetern teilweise deutlich unter den Gefrierpunkt gesunken sind (vgl. untenstehende Tabelle).
Tiefste Temperatur 5cm ab Boden (<600m, Stand 06:10)
Teilweise sanken die Temperaturen unter -2 Grad, ganz lokal sogar unter -5 Grad, in Sitten waren es gar -6 Grad (vgl. Abb. 1 und 2).
Abb. 1: In Sitten gab es in der Nacht recht starken Bodenfrost, der gut am Reif erkennbar ist; Quelle: roundshot
Abb. 2: Auch in Bern gibt es am Morgen etwas Reif; Quelle: roundshot
Dazu konnte insbesondere im Westen gebietsweise auch etwas Hüttenfrost (Temperatur auf 2 Metern über Boden) verzeichnet werden, wie untenstehende Tabelle der Tiefsttemperaturen der vergangenen Nacht zeigt.
Tiefste Temperatur (<600m, Stand 06:10)
Bei solchen Temperaturen am Boden ist damit zu rechnen, dass teilweise die Blüten von nicht geschützten Erdbeeren sowie ungeschützte ins Freiland gesetzte Salate und Gemüsesetzlinge erfroren sind. Lokal ist insbesondere im Westen auch möglich, dass Blüten und kleine Früchte von Obstbäumen und Reben beschädigt wurden. Grössere Schäden wird es aber kaum gegeben haben, dafür waren die Temperaturen dann doch etwas zu wenig tief.
Vor allem Nacht auf Montag wieder etwas frostgefährdet
Die Nacht auf morgen Samstag und auf Sonntag sind infolge vieler Wolken und immer wieder Niederschlag trotz weiterhin sehr kühler Luftmasse weniger frostgefährdet. In der Nacht auf Montag machen einige Wettermodelle dann im Flachland Aufklarungen und damit wieder eine etwas erhöhte Frostgefahr. Je nach Wettermodell ist auch die Nacht auf Dienstag leicht heikel. MeteoNews hält Sie auf dem Laufenden.
Erste Frühlingshälfte rund 3 Grad zu mild
Die erste Hälfte des meteorologischen Frühlings (März bis Mai) war aussergewöhnlich mild, der Überschuss gegenüber dem langjährigen Mittel 1991 bis 2020 beträgt über die ganze Schweiz gesehen rund 3 Grad (vgl. Abb. 1).
Abb. 1: Temperaturabweichung bisher im Frühling im Vergleich zum langjährigen Mittel 1991-2020; Quelle: MeteoNews, UBIMET
Weiter grosser Vegetationsvorsprung
Damit hat sich der Vegetationsvorsprung von rund 2 bis 4 Wochen, der bereits zu Beginn des Frühlings vorhanden war, erhalten. Bereits hat der Vollfrühling mit der Blüte des Flieders und der Apfelbäume begonnen, dies ist normalerweise etwa Ende April/Anfang Mai der Fall (vgl. den phänologischen Kalender weiter unten und Abb. 2).
Abb. 2: Im Sarganserland ist die Apfelbaumblüte bereits weitgehend zu Ende; Quelle: Bild: Roger Perret
Erhöhte Frostgefahr in den nächsten Tagen
In dieser Woche und voraussichtlich auch in der nächsten befinden wir uns im Bereich von hochreichender Polarluft, die Temperaturen sind klar tiefer als üblich zu dieser Jahreszeit (vgl. hier). Damit besteht bei Aufklaren in windschwachen Nächten die Gefahr von Boden- (5 Zentimeter über Boden) und gebietsweise auch Hüttenfrost (2 Meter über Boden). Gefährlich sind in dieser Woche vor allem die Nächte auf Donnerstag im Churer Rheintal sowie im Sarganserland und die Nacht auf Freitag im westlichen Mittelland (vgl. Abb. 3 und 4).
Abb. 3: Erwartete Minimaltemperaturen in der Nacht auf Donnerstag; Quelle: MeteoNews, UBIMET
Abb. 4: Erwartete Minimaltemperaturen in der Nacht auf Freitag; Quelle: MeteoNews, UBIMET
Was frostgefährdet und wann?
Aktuell sind insbesondere Bodenkulturen wie blühende Erdbeeren (vgl. Abb. 5) stark frostgefährdet. Sie sollten unbedingt mit beispielsweise einem Vlies oder einem Tunnel geschützt werden.
Abb. 5: Aktuell blühen die Erdbeeren (Bild vom Sarganserland); Quelle: Bild: Roger Perret
Gefährdet sind bei bereits leichten Minusgraden auch die Reben, deren Entwicklung auch viel weiter fortgeschritten ist als normal. Die Blätter sind bereits entfaltet und die Gescheine (Blütenstände) sichtbar (vgl. Abb. 6). Das Problem ist, dass die Temperatur auf Höhe der Blätter und Blüten etwas tiefer ist als 2 Meter über Boden, sodass es durchaus sein kann, dass auf 2 Metern um 0 Grad gemessen werden, es aber auf Höhe der Blätter und Blüten schädigende Minusgrade hat.
Abb. 6: Auch die Entwicklung der Reben ist weit fortgeschritten (Bild vom Sarganserland); Quelle: Bild: Roger Perret
Gemäss Abb. 3 ist in der Nacht auf Donnerstag bei den Rebgebieten vor allem das Churer Rheintal und Sarganserland etwas frostgefährdet.
Viele Obstbäume sind in tiefen Lagen bereits verblüht, dies gilt insbesondere für Aprikosen, Pfirsiche, Zwetschgen, Birnen (vgl. Abb. 7) und Kirschen. Insbesondere die Apfelbäume blühen teilweise noch. Frostgefährdet sind dabei offene Blüten wie auch kleine Früchte, die bereits unter -2 bis -1 Grad Schaden nehmen können. Die Blüten und Fruchtansätze sind vor allem bei den Niederstammkulturen gefährdet, da sie näher am Boden sind als bei Hochstämmern. In der Nacht auf Freitag ist gemäss Abb. 4 insbesondere das westliche Mittelland bezüglich Frost heikel, hier werden auf 2 Metern über Boden bis unter -2 Grad berechnet. Einige Möglichkeiten, wie man Kulturen vor Frost schützen kann, gibts hier.
Abb. 7: Kleine Früchte bei Birnen (Bild aus dem Sarganserland); Quelle: Bild: Roger Perret
Die Nacht auf Samstag ist infolge Wind und immer wieder Schauern weniger frostgefährdet. Voraussichtlich steigt die Frostgefahr aber danach bereits wieder an. MeteoNews informiert an dieser Stelle fortlaufend.
2023/2024 einer der mildesten Winter seit Messbeginn
Der meteorologische Winter 2023/2024 (Dezember bis Februar) wird als einer der mildesten in die Wetterbücher eingehen, momentan beträgt die Abweichung zum langjährigen Mittel 1991 bis 2020 über die ganze Schweiz gesehen 2.6 Grad (vgl. Abb. 1).
Abb. 1: Temperaturabweichung aktueller Winter im Vergleich zum langjährigen Mittel 1991-2020; Quelle: MeteoNews, UBIMET
Der bisher mildeste Winter seit Messbeginn 1864 war der Winter 2019/2020 mit einer Abweichung von 2.7 Grad. Diesen werden wir wohl knapp nicht erreichen, dafür aber wohl den zweitmildesten 2006/2007 mit einer Abweichung von 2.45 Grad (mehr dazu folgt bald an dieser Stelle beim Winterrückblick).
Winter zunehmend milder
Der Blick auf die Wintertemperaturen seit 1864 zeigt, dass die Winter immer milder werden, seit Ende der 80-er Jahre des letzten Jahrhunderts häufen sich die roten Balken mit Schwerpunkt in den letzten paar Jahren markant (= positive Abweichung gegenüber dem Mittel 1991-2020, vgl. Abb. 2).
Abb. 2: Entwicklung der Wintertemperaturen in der Schweiz seit 1864; Quelle: MeteoStats - Schweizer Klimastatistiken nach Daten von MeteoSchweiz
Immer früher Frühling
Die Natur reagiert auf die durchschnittlich immer milderen Winter und erwacht zunehmend früher aus dem Winterschlaf. Dies zeigt sich auch, wenn man den Kalender der Natur, den phänologischen Kalender heranzieht. Bei diesem werden die Eintrittszeiten charakteristischer Erscheinungen, bei Pflanzen die charakteristischen Wachstumsstufen, beobachtet und festgehalten. Der phänologische Kalender unterteilt das Jahr in insgesamt 10 Jahreszeiten (vgl. Abb. 3).
Abb. 3: Phänologischer Kalender der Schweiz mit den entsprechenden Zeigerarten; Quelle: MeteoNews
Nach der Winterruhe beginnt der Vorfrühling mit der Blüte der Haselnuss, Schneeglöckchen und Krokusse normalerweise so Mitte Februar. Dieses Jahr hat die Haselnuss aber zumeist schon in der zweiten Januarhälfte stärker zu blühen begonnen, was sich auch in vermehrten Beschwerden bei auf Hasel allergischen Heuschnupfenpatienten äusserte (vgl. hier). Wie sich die Pflanzen entwickeln, hängt hauptsächlich von den vorherrschenden Temperaturen ab. Sobald es genügend warm ist, fahren sie ihre Systeme hoch, bilden Blüten oder beginnen mit dem Blattaustrieb. Dass Pflanzen immer früher ihre Winterruhe beenden, ist eine direkte Reaktion auf die steigenden Wintertemperaturen. Die langfristigen phänologischen Messreihen sind deshalb ein wichtiger Indikator für den Klimawandel und machen dessen lokale Auswirkungen deutlich. Gemäss langfristigen phänologischen Untersuchungen von MeteoSchweiz hat sich die Haselblüte seit den 50-er Jahren des letzten Jahrhunderts und damit der Vorfrühling um mehr als 2 Wochen nach vorne verschoben. Nicht nur der Vorfrühling beginnt durchschnittlich immer früher, sondern auch die beiden anderen Frühlingsphasen (Erstfrühling und Vollfrühling). MeteoSchweiz berechnet dazu den sog. Frühlingsindex, der anhand von zehn phänologischen Phasen (z.B. Blüte des Haselstrauchs, Blattentfaltung der Rosskastanie, Blüte des Löwenzahns usw.) den Zeitpunkt der Vegetationsentwicklung im Frühling als Abweichung in Tagen vom langjährigen Mittel 1991-2020 zeigt (vgl. Abb. 4).
Abb. 4: Frühlingsindex, dargestellt als Abweichung in Tagen vom Mittel 1991-2020 (hellgrün früherer Beginn als normal, dunkelgrün späterer Beginn); Quelle: MeteoSchweiz
Der Vergleich von Abb. 2 und 4 zeigt, dass sich der Frühlingsindex sehr gut mit den Wintertemperaturen deckt, milde Winter korrelieren zumeist mit einer frühen Vegetationsentwicklung und umgekehrt kühle Winter mit einer späten Entwicklung.
Dieses Jahr besonders weit fortgeschrittene Vegetationsentwicklung
In diesem Jahr ist die Vegetationsentwicklung infolge der ausserordentlich milden ersten Februarhälfte besonders weit fortgeschritten. So lassen sich neben Schneeglöckchen, Frühlingsknotenblumen und Krokussen bereits erste blühende Osterglocken in den Gärten und Parks und erste Löwenzahnblüten in den Wiesen finden (vgl. Abb. 5 und 6). Normalerweise erfolgt dabei die Blüte der Osterglocken im März und die Blüte des Löwenzahns sogar erst im April (wobei gesagt werden muss, dass natürlich aktuell erst vereinzelte Löwenzahn blühen, in Massen werden sie erst einiges später blühen).
Abb. 5: Erste Löwenzahnblüten aktuell im Sarganserland; Quelle: Bild: Roger Perret
Abb. 6: Erste blühende Osterglocken im Sarganserland; Quelle: Bild: Roger Perret
Auswirkungen der immer früheren Vegetationsentwicklung
Die im Frühjahr durchschnittlich immer frühere Vegetationsentwicklung hat mannigfache Auswirkungen, sowohl positive, als auch negative. Positive Auswirkungen können sich dabei durch die Verlängerung der Vegetationsperiode für die Landwirtschaft ergeben, insbesondere beim Gemüse- und teilweise auch beim Getreide-, Beeren- und Obstanbau. So profitieren beispielsweise die fortlaufend neue Früchte bildenden Himbeeren und Brombeeren von einer längeren Vegetationsperiode, und auch bei Erdbeeren und Kirschen ist der durchschnittlich frühere Erntebeginn oft von Vorteil, da die Konsumenten früher mit den begehrten einheimischen Produkten eingedeckt werden können. Zudem ermöglichen die durchschnittlich höheren Temperaturen den Anbau wärmliebender neuer Kulturen. Beispiele dazu sind der Sojaanbau und der Anbau späterer Sorten beim Maisanbau oder der Anbau von wärmeliebenden Früchten wie Kiwi, Oliven oder Kakis.
Den positiven Aspekten stehen aber auch mannifaltige negative Auswirkungen gegenüber. Neben vermehrten Heuschnupfenbeschwerden erhöht die im Frühjahr immer weiter fortgeschrittene Vegetationsentwicklung auch die Spätfrostgefahr insbesondere bei Obstbäumen und Reben, es werden immer häufiger Schutzmassnahmen nötig (vgl. Abb. 7).
Abb. 7: Kronenberegnung gegen Spätfroste bei Obstbäumen werden immer häufiger nötig; Quelle: certiseurope.de
Immer früher blühende Obstbäume können zudem fruchtlos bleiben, wenn die Insekten, die sie bestäuben, später schlüpfen. Mit Spätfrostproblemen haben zudem auch die Gemüsebauern zu kämpfen, die zwar früher ansäen können, aber ihre Kulturen oft mit Vlies oder Tunneln vor der Kälte schützen müssen. Ausserdem nimmt auch der Schädlingsdruck zu, kalte Winter reduzieren diesen zumeist, während bei milden Winter mehr Schädlinge den Winter überleben.
Der Einfluss auf die ökologischen Beziehungen der verlängerten Vegetationszeit ist insgesamt schwer abzuschätzen. Einige Arten sind sehr anpassungsfähig und kommen als Generalisten mit vielen Bedingungen zurecht, andere Arten sind weniger anpassungsfähig und werden verdrängt. Zudem sind es oft auch invasive, gebietsfremde Arten, die sich schnell anpassen könnten und damit einheimische Arten verdrängen. Insgesamt muss ist mit grösseren Veränderungen bei Flora und Fauna gerechnet werden.